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Die Zukunft des Mittelstands.
Pressemitteilung

Eine Interviewreihe des VDI mit Geschäftsführern und Vorständen

Die Pressemitteilung kann als PDF heruntergeladen werden: “Wir gestalten Zukunft” vom VDI

Bernd Eßer, Berief Food

Welche Herausforderungen sehen Sie für Berief?

Die Herausforderungen, die aktuell auf dem Tisch liegen, sind für uns vor allem die Bürokratie und die Energieversorgung, aber auch Inflation, Käuferzurückhaltung, Rohwarenpreise und -verfügbarkeit sowie der Fachkräftemangel. Im Bereich der Bürokratie sehen wir uns mit komplexen und oft langwierigen Genehmigungsverfahren konfrontiert, die Innovationen und schnelle Anpassungen erschweren. Diese bürokratischen Hürden müssen abgebaut werden, um effizienter auf die sich schnell ändernden Anforderungen reagieren zu können. Bei der Energie geht es nicht nur um die Kosten, sondern auch um die Versorgungssicherheit. Die Frage ist, nachdem wir das alles ja schon länger wissen: Wie kommen wir da endlich raus? Wir, die Wirtschaft, haben natürlich auch Fehler gemacht, indem wir zwar die Ziele abgenickt haben, aber nicht klar gesagt haben, dass die Maßnahmen unzureichend sind. Seit gut zwei Jahren sage ich: Leute, wir müssen Ziele und Maßnahmen voneinander trennen. Das Ziel der Klimaneutralität ist nachvollziehbar, aber ich habe ein Problem mit den Maßnahmen.
Wir wollen klimaneutraler werden, aber das ist ein langer Weg. Inflation und steigende Rohwarenpreise belasten unsere Kostenstruktur, während die Verfügbarkeit von Rohwaren und der Fachkräftemangel die Produktion beeinträchtigen.
Es ist entscheidend, dass wir konkrete und umsetzbare Schritte entwickeln, um sowohl die bürokratischen als auch die energetischen Herausforderungen zu meistern. Deutschland gehört in der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts sowie bei der CO2eIntensität pro Kilowattstunde Strom zu den Schlusslichtern in Europa. Das kann weder unser Anspruch noch unser Ziel sein.
 

Welche Faktoren sind entscheidend für eine erfolgreiche Entwicklung in einem Unternehmen?

Hier sind mehrere Faktoren entscheidend. Zunächst ist es wichtig, Innovationen frühzeitig zu fördern und ihnen Raum zur Entfaltung zu geben. Wir sollten immer bereit sein, neue Ideen zu entwickeln. Eine Kultur, die das Scheitern als Teil des Lernprozesses akzeptiert, ist dabei essenziell. Unser Firmengründer Hermann Berief ist ein Vorbild dafür: Er wagte 1985 den Einstieg in die Tofu-Produktion, und zwar mitten in Westfalen – eine damals sehr mutige Entscheidung. Sein Ansatz, keine Grenzen zu sehen, sondern Möglichkeiten, prägt uns bis heute. Wir dürfen kreative und mutige Ideen verfolgen, solange sie gut durchdacht sind. Vor acht Jahren haben wir bei Berief Food die digitale Transformation eingeleitet, trotz anfänglichen Widerstands. Heute profitieren wir von transparenten Prozessen und datenbasierten Entscheidungen. Wandel kann anfangs schwierig sein, aber er verbessert unsere Wettbewerbsfähigkeit. Solche langfristigen Initiativen erfordern Mut, da sie sich erst nach Jahren auszahlen können. Uns hat dieser Ansatz geholfen, aber er birgt natürlich auch Risiken.
 

Welche Maßnahmen sind notwendig, um Arbeit, Integration und Bildung in der Gesellschaft zu stärken?

Dazu sind gezielte Maßnahmen erforderlich. Arbeit sollte wieder als Qualitätsmerkmal angesehen werden, da sie Struktur und sozialen Zusammenhalt fördert. Integration sollte nicht nur ein Ziel sein, sondern aktiv gelebt werden. In unserem Unternehmen arbeiten Menschen aus fast 30 verschiedenen Kulturen erfolgreich zusammen, was zeigt, dass Vielfalt eine Stärke ist. Es ist wichtig, dass sich Arbeit finanziell mehr lohnt, als nicht zu arbeiten, um Motivation und Engagement zu fördern. Dabei bleibt unbelassen, dass wir uns um die Bedürftigen in der Gesellschaft intensiv kümmern. Aber auch unser Bildungssystem benötigt dringend Reformen. Nicht jeder muss studieren oder das Abitur machen, um erfolgreich zu sein. Berufsausbildungen sollten stärker anerkannt und wertgeschätzt werden. Menschen, die Unterstützung benötigen, sollten gezielt gefördert werden. Die Bürokratie sollte vereinfacht werden, um pragmatische Lösungen zu ermöglichen, anstatt sich in Einzelfallentscheidungen zu verlieren. Eine hundertprozentig gerechte Welt ist leider nicht erreichbar, aber wir können durch effektive Maßnahmen eine gerechtere Gesellschaft schaffen.
 

Wie entwickelt sich der Markt in Deutschland?

Unser Fokus liegt auf dem deutschen Markt, obwohl wir in mehr als 20 Ländern tätig sind. Die rasante Entwicklung des deutschen Marktes hat in den letzten Jahren unsere komplette Aufmerksamkeit gefordert. Besonders die Investitionen in den Standort haben als 100-prozentiges Familienunternehmen in den letzten 10 Jahren unsere Ressourcen stark beansprucht. Wir sind dieser Aufgabe sehr gerne nachgekommen, weil wir so das Wachstum unserer Kunden mit realisieren konnten. Seit Corona können wir eine Konzentration am Markt feststellen, die dazu führte, dass Unternehmen veräußert wurden oder den Markt verlassen haben. In Europa gibt es nur noch wenige Unternehmen unserer Größe und Struktur, die erfolgreich agieren. Wir haben uns von der Manufakturrolle entfernt und uns auf industrielle Fertigung spezialisiert. Heute agieren wir gewissermaßen als Molkerei und Käserei auf Basis moderner Prozesstechnik. Diese Spezialisierung ist nachhaltig, da wir Bio-Rohstoffe überwiegend aus Deutschland und teilweise aus Europa beziehen. Dennoch importieren wir bestimmte Bio-Rohstoffe wie Kokos, Kaffee und Kakao aus Regionen außerhalb Europas, um unser Produktsortiment zu ergänzen.
 

Sie nutzen nur Rohstoffe aus biologisch-ökologischen Anbau.

Die Beschaffung von Bio-Ware war und ist eine Herausforderung. Wir sind beispielsweise bei Sojabohnen mit 100 Tonnen pro Jahr aus Deutschland gestartet und beziehen mittlerweile über 4.000 Tonnen aus deutschem Anbau. Dies führt noch immer nicht zu einer kompletten Bedarfsdeckung aus Deutschland. Es ist aber heute schon ein großer Beitrag, um der Bio-Landwirtschaft auch in der Zukunft einen verlässlichen Absatzmarkt zu ermöglichen. Kurz: Wir sind Vorreiter in der Zusammenarbeit mit deutschen Anbauverbänden. Wenn Landwirte auf Bio umstellen, sichern wir die Abnahme ihrer Produkte zu, ohne auf staatliche Förderungen angewiesen zu sein. Politische Förderungen sind oft fehlgeleitet, da die Politik nicht immer die spezifischen Marktkenntnisse besitzt, die wir haben. Förderungen sollten sich auf Sprunginnovationen konzentrieren und in die Forschung investiert werden. Die Marktmechanismen müssen wir dann selbst gestalten. Diese Strategie hat sich bewährt, und wir kennen unsere Mitbewerber ebenso gut, wie sie uns kennen. Die Fokussierung auf Kernkompetenzen war der richtige Weg. Der Markt konzentriert sich zunehmend auf wenige Akteure, da nicht alle die hohen Standards in Qualität, Geschmack und Preis erfüllen können.
 

Welche Rolle spielt das Lebensmittelrecht? Oder andere gesetzliche Vorgaben?

Gesetzliche Vorgaben ändern sich ständig, was für uns eine kontinuierliche Herausforderung darstellt. Ein aktuelles Beispiel ist das Einwegkunststofffondsgesetz, das 2024 in Kraft getreten ist. Wir haben Anfragen an das Ministerium gestellt, aber bisher keine Antworten erhalten. Ähnlich verhält es sich mit der Energiepreisbremse und anderen gesetzlichen Regelungen. Im Vergleich dazu ist das Lebensmittelrecht einfacher zu handhaben. Interessant wird es jedoch bei Novel Food, also völlig neuen Produkten. In Europa sind wir hier eher zurückhaltend, und es kann drei bis fünf Jahre dauern, um einen vollständigen Zulassungszyklus zu durchlaufen.
Da wir uns auf pflanzliche Produkte konzentrieren und nicht mit Technologien wie precision fermentation oder cultured meat arbeiten, sind wir davon nur teilweise betroffen. Betrachtet man die zukünftige Marktentwicklung, sind Länder wie Singapur und Israel deutlich schneller als wir. In diesem Bereich stehen wir noch am Anfang, und die derzeitige Regulatorik bietet uns wenig Unterstützung.
 

Woher beziehen Sie Ihre Rohstoffe und wie sicher sind Ihre Lieferketten?

Unsere Rohstoffe finden nicht von selbst den Weg zu uns. Vielmehr haben wir aktiv den Zugang zu ihnen geschaffen. Bei Mandeln setzen wir auf spanische Bio-Mandeln. In Spanien fällt mehr Regen und das bietet somit einen besseren CO2-Fußabdruck als Kalifornien. Und wir sparen zudem beim Transport. Wir haben den Markt geöffnet, indem wir mit dem spanischen Verarbeiter und der landwirtschaftlichen Kooperative durch mehrjährige Verträge die Abnahme zugesichert haben. Dies ermöglicht eine stabile Mischkalkulation. Wetterbedingte Herausforderungen sind unvermeidlich, daher haben wir eine flexible Mehrlieferantenstrategie entwickelt. Das bedeutet, dass wir für jeden Rohstoff einen Hauptlieferanten und zwei alternative Lieferanten haben, um Ausfälle abzufedern. Bei Bio-Hafer und Bio-Soja halten wir die Lieferketten besonders kurz, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen.
Der Straßentransport bleibt trotz Herausforderungen wie Sanierungsarbeiten auf den Strecken unser Haupttransportweg, da die Bahn unsere wechselnden Bedürfnisse nicht zuverlässig bedienen kann. Durch die Vorlaufzeiten ist der Schienenverkehr für uns aktuell leider keine Option. Schiffstransporte sind aufgrund der Hygieneanforderungen für Massengüter nicht geeignet. Wir setzen auf Regionalität, also europäische Quellen und bevorzugen, wenn möglich, deutsche Bio-Rohstoffe, um die Transportwege kurz zu halten. Diese Strategie hat sich auch im Austausch mit unseren Kunden als Vorteil erwiesen, da regionale Quellen zunehmend gefragt sind.
 

Wie flexibel können Sie Ihre Produktionskapazitäten planen?

Flexibilität ist ein Thema, das ich als jemand, der strategisch und kaufmännisch agiert, sehr genau betrachte, da Flexibilität oft mit Kosten verbunden ist. Da wo wir sie gezielt und bewusst einsetzen, ist sie eine unserer Stärken. In den letzten Jahren haben wir uns intensiv auf die Skalierung unserer Produktion vorbereitet und 70 Millionen Euro in unseren Standort in Beckum investiert. Außerdem setzen wir auf Digitalisierung, um Produktionsprozesse effizienter zu gestalten. Diese technologische Weiterentwicklung unterstützt uns ebenfalls bei der Skalierung unserer Kapazitäten. Die genannte Investition hat zur Schaffung von 280 neuen Arbeitsplätzen in den letzten zehn Jahren geführt, inzwischen sind es insgesamt circa 400. Dabei hat der Standort Deutschland in den letzten Jahren an Attraktivität verloren. Das bedauern wir sehr, da wir uns als Familienunternehmen sehr mit der Region identifizieren.
 

Was tun Sie beim Thema Energieeffizienz?

Als energieintensives Unternehmen verbrauchen wir am Standort mehrere Millionen Kilowattstunden Strom und Gas pro Jahr. In der Vergangenheit haben wir unsere Energie verlässlich und zu wettbewerbsfähigen Preisen bezogen. Doch der Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Energie zu einem geopolitischen Vehikel gemacht. Zusätzlich hat der zum einen gezwungene und zum anderen politisch gewollte Umbau unseres Energiemarktes seine negativen Spuren hinterlassen. Damit ist die Verbesserung der Energieeffizienz in unserem Unternehmen eine Aufgabe, der wir uns täglich widmen. Auf Basis einer Tonne Produkt setzen wir bereits heute über 25 Prozent weniger Energie ein als im Jahr 2019. Des Weiteren beschäftigen wir uns damit, welchen Energiemix wir in Zukunft haben werden. Die auf unseren Dächern installierte Photovoltaikanlage ist ein kleines Puzzleteil darin. Dabei haben wir das Ziel, die Energiekosten auf das Niveau von 2019 zu bringen, ohne dabei auf die Verfügbarkeit 24/7 zu verzichten. Das ist eine Grundvoraussetzung, um auch zukünftig im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.
 

Lassen Sie uns über Forschung und Entwicklung sprechen. Welche Faktoren sind entscheidend für die erfolgreiche Entwicklung und Markteinführung innovativer Lebensmittelprodukte?

Zunächst einmal: Innovation kann nur erfolgreich sein, wenn wir unser Kerngeschäft im Griff haben. Derzeit wandeln wir die Forschung und Entwicklung der letzten Jahre in monetären Erfolg um. Unsere Produkte durchlaufen Lebenszyklen, und der Markt hat sich stark verändert. Auch die Produkte unserer Mitbewerber unterscheiden sich deutlich von denen von vor zehn Jahren. Wir sind besonders bei pflanzlichen Drinks und Tofu einen Schritt voraus, da wir sehr kurze Zutatenlisten im Sinne des Clean Label haben. Unsere Spezialisten arbeiten daran, Bio-Rohstoffe optimal zu nutzen und auf unerwünschte Zusätze zu verzichten. Dies erfordert ein tiefes Verständnis von Rohstoffen, Technologie und Technik – ganz besonders im BioBereich ist das so. Kürzlich haben wir eine einzigartige Anlage für das Pressen von Tofu entwickelt und in Betrieb genommen, welche die Konsistenz unseres Tofus verbessert, und die Produktivität steigert.
Für einige Kunden fungieren wir als Entwicklungsbank. Wir probieren gerne Neues aus. Ein Beispiel ist unser Berief Bio Barista ohne Zucker. Dieses Produkt ist erst seit vergangenem September im Markt und feiert schon große Erfolge. Unseren Bio-Haferdrinks ist natürlich grundsätzlich kein Zucker zugesetzt, aber bei der Produktion entsteht dieser aus der Stärke im Hafer. Wir haben einen Prozess entwickelt, der keinen Zucker entstehen lässt und schon in unserem Drink Berief Bio Hafer ohne Zucker eingesetzt wird.
 

Wie stark trifft Sie der Fachkräftemangel?

Der Fachkräftemangel stellt uns vor Herausforderungen, doch wir sehen auch positive Entwicklungen. Die aktuelle Situation in anderen Branchen hat die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt verändert. Die Bindung unserer Mitarbeiter an das Unternehmen hat das nochmal gestärkt. Viele unserer Mitarbeiter stammen aus Beckum und haben durch Quereinstiege neue Karrierewege bei uns gefunden. Unsere langjährigen Mitarbeiter tragen zu einer starken Unternehmensbindung bei, und wir arbeiten stets daran, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sie sich wohlfühlen. Natürlich gibt es auch Herausforderungen und Konflikte, die es gemeinsam zu lösen gilt. Wir bemerken seit einigen Monaten, dass wir wieder mehr Bewerbungen erhalten. In Bereichen wie der Digitalisierung bleibt der Bedarf und Wettbewerb um Fachkräfte hoch.
 

Wie hoch ist Ihre Auszubildendenquote?

Wir bieten sieben Ausbildungsberufe an und haben derzeit 28 Auszubildende, was einer Quote von etwa sechs bis sieben Prozent entspricht. Darunter sind kaufmännische Berufe und Berufe wie Instandhaltungstechniker und Fachkraft für Lebensmitteltechnik, einer unserer stärksten Ausbildungsberufe. Es ist nicht einfach, Auszubildende zu gewinnen, daher haben wir ein engagiertes Team, das auf Messen in verschiedenen Orten hier in der Region präsent ist, um potenzielle Kandidaten anzusprechen. Häufig kommen auch Kinder von Eltern, die bereits bei uns arbeiten, zu uns.
 

Wie entwickelt sich der Lebensmitteleinzelhandel?

Der Lebensmitteleinzelhandel steht vor herausfordernden Zeiten, und unsere aktuellen Jahresgespräche spiegeln dies wider. Diese Verhandlungen sind intensiv, da beide Seiten mit steigenden Anforderungen konfrontiert sind. Verbraucher spüren, dass ihr Einkommen an Kaufkraft verloren hat, obwohl es in den letzten fünf Jahren laut Statistischem Bundesamt 18 Prozent Nominallohnsteigerung gab. Die Lohnsteigerungen werden durch die Entwicklung der Kosten wie zum Beispiel bei Energie, Miete und der Inflationsentwicklung stark belastet. Dabei ist historisch, dass der Verbraucher in Deutschland einen geringeren Anteil des Einkommens für Lebensmittel ausgibt als in jedem anderen EU-Mitgliedsstaat. 2023 lag dieser Anteil bei nur 12 Prozent. Im Vergleich dazu liegt der Anteil in Ländern wie Frankreich oder Österreich bei um die 20 Prozent. Diese Unterschiede hängen mit der hohen Konzentration im deutschen Handel zusammen, die zu einem starken Preiswettbewerb führt. Deutschland ist bekannt für seine Discounter und historisch günstigen Preise.
 

Wie ist es im Ausland?

Im Ausland sind pflanzliche Lebensmittel noch nicht so weit entwickelt. Dies ist eine Chance für die Zukunft, welcher wir uns aktuell widmen. Dabei bleibt es für uns wichtig, den Heimatmarkt gut zu verstehen, um erfolgreich in anderen Ländern agieren zu können. Besonders unter dem Aspekt, dass der deutsche Markt einer der meist entwickelten in Europa ist. In meiner Zeit bei einem internationalen Unternehmen war Deutschland stets ein potenzielles Zielland für die Expansionsstrategie eines Unternehmens. Die Konfrontation mit den Besonderheiten des deutschen Marktes haben die Begeisterung oft gedämpft. Mit über 80 Millionen Menschen ist Deutschland jedoch ein sehr konsumstarker Markt, was es trotz der Herausforderungen attraktiv macht.
 

Welche ausländischen Märkte haben aus Ihrer Sicht besonders Potenzial?

Im Ausland sind wir im Bereich Private Label stärker vertreten, da viele Länder zunehmend protektionistisch agieren und ihre eigenen Marken und Rohstoffe bevorzugen. Eine Marke wie Berief in einem Markt wie zum Beispiel Frankreich einzuführen, bindet zu viele Ressourcen im Vergleich zu den zu erwartenden Resultaten. Aus diesem Grund spezialisieren wir uns im Ausland auf die Rolle eines Private Label-Anbieters. Die Länder, die wir bearbeiten, wählen wir anhand ihrer Potenziale aus.
 

Wie werden sich Lebensmittel in Zukunft entwickeln?

Die Zukunft der Lebensmittel wird von Gesundheit, Nachhaltigkeit und veränderten Konsumgewohnheiten geprägt sein. In einer alternden Gesellschaft rücken gesundheitsfördernde Produkte stärker in den Fokus. Zuckerreduzierte Lebensmittel und alternative Proteine werden wichtiger, um Krankheiten wie Diabetes und Adipositas entgegenzuwirken. Nachhaltigkeit bleibt ein zentraler Faktor. Pflanzliche Produkte, ressourcenschonende Herstellung und transparente Lieferketten sind gefragt, genauso wächst der Markt für Bio-Produkte. Die Lebensmittelindustrie muss innovative Lösungen finden, die Nachhaltigkeit und Genuss vereinen – das schaffen wir mit unseren Produkten schon heute.
 

Was ist Ihre Hausaufgabe an die Politik?

Mein Wunsch an die Politik ist klar: Setzt den Rahmen und lasst uns machen. Politik, Verwaltung, Gesellschaft und Wirtschaft haben in der Vergangenheit oft gestritten, aber letztlich immer einen gemeinsamen Weg gefunden. In den letzten Jahren scheint dieses Miteinander jedoch verloren gegangen zu sein, und jeder arbeitet isoliert an seinen eigenen Zielen. Das widerspricht dem Prinzip der sozialen Marktwirtschaft, die als verbindendes Element dienen sollte. Die Wirtschaft schafft mit den Menschen in der Gesellschaft Wohlstand, denn die Wirtschaft ist integraler Bestandteil der Gesellschaft. Damit sich Gesellschaft und Sozialsysteme weiterentwickeln können, ist wirtschaftlicher Erfolg unerlässlich. Ohne wirtschaftlichen Erfolg ist ein sozialer Frieden nur schwer vorstellbar.
 

Was ist Ihre Botschaft an die junge Generation?

Was ich jungen Menschen empfehle, ist: Triff deine eigenen Entscheidungen und lass dich nicht von einfachen Parolen beeinflussen. Entscheidungen werden aus bestimmten Beweggründen getroffen. Dabei ist für die persönliche Entwicklung entscheidend zu verstehen, warum man so entschieden hat, damit man sowohl aus der positiven als auch negativen Erfahrung lernen kann. Es gibt kein Schwarz-Weiß. Wir müssen zu einem selbstbestimmten Denken kommen. Meiner Meinung nach sollten wir Entscheidungen respektieren, auch wenn sie uns fragwürdig erscheinen. Ich nehme jemanden ernst, wenn er zu seinen Entscheidungen und deren Konsequenzen steht. Wir sollten Diskussionen auf eine Ebene bringen, die nicht nur populistisch ist.
 

Was bereitet Ihnen an Ihrer Aufgabe Freude?

Ich kann das, was ich über die Jahre gelernt habe, mit neuen Erkenntnissen kombinieren und habe die Möglichkeit, das Gelernte mit meinem Team umzusetzen, denn als Geschäftsführer kann ich Dinge verändern.
 

Und was gibt Ihnen Hoffnung?

Dieses Land hat so viel Potenzial. Wir müssen es nur endlich heben wollen. Dieses Land hat immer bewiesen, dass wir, egal was passiert, vorankommen, wenn wir uns einig sind. Und damit meine ich nicht im militärischen Sinne, sondern dass wir uns auf den Weg machen und Dinge regeln. Ich habe große Hoffnung, dass einige Menschen jetzt bereit sind, aktiv zu werden. Früher hieß es oft, Demonstrationen seien verboten, weil man den Rasen nicht betreten durfte. Aber jetzt treten einige auf den Rasen und sagen: “Das lasse ich nicht mit mir machen! Ich stelle die Sachen in Frage und möchte selbst die Zukunft mitgestalten.“